Von der Viehweide zum Hafengelände
Der Hamburger Stadtteil „Kleiner Grasbrook“ ist für seine zahlreichen historischen Hafenanlagen und Kais aus den letzten 200 Jahren bekannt. Kaum noch vorstellbar, dass dieses Gebiet früher mal eine Binneninsel war. Blickt man auf den Wandel, könnte der kleine Grasbrook auch ein Synonym für den Satz „ich bau‘ mir die Welt wie sie mir gefällt“ sein.
Dieser recht dünn besiedelte Stadtteil gehört zum Bezirk Hamburg-Mitte und liegt nahezu vollständig im ehemaligen Freihafengebiet. Der Großteil der Fläche wird von Hafenanlagen bestimmt, aber es gibt auch jede Menge Brachfläche. An den Kaianlagen vom O’Swalkai werden neben Kühlgütern vorwiegend RoRo- und ConRo-Schiffe abgefertigt.
Im 16. Jahrhundert diente die Binneninsel den Hamburgern als Viehweide. Durch den Bau eines künstlichen Grabens, der mehr Wasser aus der Süderelbe in die Norderelbe führen sollte, wurde der Grasbrook durchtrennt. Allmählich folgte eine erste Besiedlung. Im späten 19. Jahrhundert wurde der Kleine Grasbrook zu einem Stadtteil.
Es entstanden zahlreiche Kaianlagen, Häfen und Lagerhallen, die allerdings im Zweiten Weltkrieg zu 90 Prozent zerstört wurden. Nach dem Wiederaufbau und einer Umstrukturierung entstand eines der modernsten Frucht- und Kühlzentren Europas, in dem bis heute Südfrüchte, meist Bananen, gelöscht, gekühlt und weiterverteilt werden.
Das Lagerhaus G
Es gibt aber auch noch sichtbare Geschichte, wie die vom Lagerhaus G am Saalehafen. Das Lagerhaus wurde 1903 in der für die damalige Zeit typischen Backsteinarchitektur am Dessauer Ufer errichtet. Es verfügt über drei Böden und ist durch Brandmauern in acht Sektionen untergliedert. Zu jeder Sektion gehört land- und wasserseitig je ein Außenaufzug mit Windhäuschen. Von diesem Gebäudetyp gibt es nicht mehr sehr viele, wohl mit ein Grund, weshalb dieser seit 1988 unter Denkmalschutz steht.
Hinter dem Gebäude verbirgt sich aber auch noch eine traurige Geschichte, denn während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude als Außenlager „Dessauer Ufer“ des KZ Neuengamme zur Unterbringung von Zwangsarbeitern benutzt. Eine Gedenktafel mit der folgenden Aufschrift erinnert an die Zeit:
Von Juli bis September 1944 waren darin bis zu 1.500 jüdische Frauen aus Ungarn und Tschechien untergebracht, die in Raffinerien und zerstörten Gebäuden anderer Betriebe im Hafen Aufräumarbeiten verrichten mussten. Im Oktober 1944 kamen 1.500 männliche Häftlinge in das Außenlager, die im Gleis- und Panzergrabenbau sowie bei Aufräumarbeiten arbeiten mussten. Nach einem schweren Bombenangriff wurde diese Gruppe bis Februar 1945 nach Fuhlsbüttel verlegt. Anfang April 1945 wurde das Lager aufgelöst und die Insassen in das KZ Bergen-Belsen gebracht.
Auch auf dem Fußboden vor dem Gebäude erinnert ein Stolperstein an die Zwangsarbeiterin Margarethe Müller (1899–1944) an ihrer ehemaligen Einsatzstelle Dessauer Ufer.