Heute haben wir mal einen ganz besonderen Ausflugstipp für euch, der, wie ich finde, perfekt in den Herbst passt. Nicht weit vom Hamburger Hafen in unmittelbarer Nähe zum Michel befindet sich die älteste geschlossene Reihenhaussiedlung in Hamburg. Das klingt jetzt im ersten Moment nicht allzu aufregend, aber wartet mal ab. 😉
Es war einmal…
Die Geschichte des Hamburger Hafens ist von jeher vom Handel und Wachstum geprägt. Was oft dazu geführt hat, dass Menschen einfach zwangsumgesiedelt wurden, um Flächen für die Lagerhaltung zu schaffen. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Speicherstadt. Auch hier wurden die Bürgerhäuser im Barockstil und Fachwerkbauten aus dem 17./18. Jahrhundert einfach abgerissen und durch Lagerhäuser ersetzt. Jedoch mit den Krameramtsstuben konnte sich Hamburg ein Stück Geschichte bewahren.
Die Hofanlage im Krayenkamp ist so klein, dass man aufpassen muss nicht vorbeizulaufen. Unweit des Michels steht zwischen den riesigen Gebäuden ein altes Fachwerkhaus. Das Haus (gebaut um 1700) gehört zwar nicht zu den eigentlichen Kramerwitwenwohnungen, aber durch ihn führt der Torweg auf den Hof. Wenn man diesen passiert, ist man in einer ganz eigenen kleinen Welt.
Krameramtsstuben als Altersversorgung
Das Krameramt war eine Gruppe aus Kleinhändlern, die einen festen Stand oder Laden in der Stadt besaßen. Sie handelten vornehmlich mit Gewürzen, Seidenstoffen und Eisenwaren, also alles Waren, die vorwiegend mit den Frachtschiffen im Hamburger Hafen ankamen. Ihr Wappen, eine Waage ist ebenfalls in dem länglichen Häuserflur zu sehen.
Der Handel machte sie wohlhabend, was aber damals wie heute nicht davor schützte, dass die Händler irgendwann das Zeitliche segneten. Frauen durften die Geschäfte nicht alleine führen und die Läden befanden sich zusammen mit den Privaträumen unter einem Dach.
1676 ließ das finanzkräftige Kramer-Amt auf dem von ihm erworbenen Gelände mit den bestehenden Häusern, Freiwohnungen für 20 Witwen von verstorbenen Mitgliedern erbauen, damit die Läden wieder an neue Krämer vermietet werden konnten.
Solche Witwenwohnungen waren eine für die damalige Zeit typische Form der selbst organisierten Altenversorgung. Neben mietfreien Wohnungen erhielten die Frauen auch Brennmaterial und eine kleine Rente.
Übrigens: So makaber das klingen mag, aber die Gänge waren so eng, dass die Verstorbenen nicht mit dem Sarg durch die Tür passten. Die Toten wurden durch die oberhalb angebrachten Luken aus dem Haus getragen.
Vielleicht wird auch jetzt klar, warum dieser Ausflugstipp perfekt für den Herbst ist. Die Häuserreihe liegt so eng beieinander, dass sie in der kühleren Jahreszeit vor kalten Winden schützt und ein draußen sitzen zum Genießen möglich macht. Im Sommer dürfte das Gedrängel einfach zu groß sein. Wir hatten so schon Schwierigkeiten zu fotografieren ohne dass dir ständig einer vor die Linse läuft. 😉
Außerdem passen die Souvenirs aus Kaffee und Tee perfekt in die Jahreszeit, um es sich daheim mit einem schönen Heißgetränk gemütlich zu machen und an die alten Zeiten zu denken. War früher nicht eh alles besser? 😉
So viele Details auf einen Blick
Wir blieben an Ende des Ganges eine ganze Weile stehen, um das Ensemble auf uns wirken zu lassen. Dabei fielen die vielen Details dieser Häuser erst richtig auf. Ganz besonders die vorkragendende Bauweise, die nach oben mehr Raum gewann.
Besonders sind auch die gedreht gemauerten Schornsteine und die für die Gänge und Höfe früher typischen Holzgestelle vor den Fenstern, den Ricken. Auf deren Stangen (Rickenstaken) wurde früher die Wäsche getrocknet und dabei mit Sicherheit auch der eine oder andere Klönschnack gehalten.
Ein Teil der ehemaligen Gängeviertel
Wer ein Freund von alten Fachwerkbauten ist, dem dürfte hier das Herz aufgehen, denn die Gebäude sind nicht nur in einem guten Zustand, sie vermitteln deutlich das Aussehen der bis ins 20. Jahrhundert weite Teile der Hamburger Alt- und Neustadt prägenden Gängeviertel.
Charakteristisch für sie war ein an der Hauptstraße befindliches Vorderhaus, in dessen Hinterhof zwei parallel verlaufende Häuserreihen entlang eines schmalen Ganges errichtet wurden. Der Auslöser für diese immer enger werdende Besiedlung war die kontinuierlich steigende Bevölkerungszahl. Später entwickelten sich die Gängeviertel zu Hamburgs Armenvierteln.
Lebendige Geschichte
Die Krameramtsstuben sind aber keineswegs verstaubt. Im Erdgeschoss des malerischen Gebäudekomplexes befinden sich kleine Läden und Galerien, in denen sowohl Souvenirs als auch Kunstobjekte erworben werden können. Zudem lädt ein Café im Innenhof und das Restaurant Krameramtsstuben zum Verweilen ein.
Tipp:
Die ehemalige Witwenwohnung mit der Nummer 10 kann als Außenstelle des Hamburg Museums besichtigt werden. Sie ist mit einer vollständigen Einrichtung aus der Zeit um 1850/60 ausgestattet worden, die teilweise aus den Wohnungen selbst oder anderen Krämerhaushalten stammt. Die Wohnung verdeutlicht die Wohnverhältnisse in den Witwenwohnungen und zugleich, da diese keineswegs von armen Bevölkerungsschichten bewohnt wurden, die selten gezeigten Wohnverhältnisse der Mittelschicht in einer Großstadt zur Mitte des 19. Jahrhunderts.
2 Kommentare zu „Die Krameramtsstuben in Hamburg“
Moin Claudia,
danke für diesen tollen Tipp. Die Krameramtsgasse kenne ich sehr gut, war aber schon lange nicht mehr dort. Wir haben schon mehrmals Besucher dorthin geführt, und die waren ebenfalls überrascht, was sich da hinter dem unscheinbaren Tor vor ihnen auftat. Sie waren begeistert, wie auch wir jedes Mal wieder.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende für Euch
Karin
Moin Karin,
schön von dir zu lesen. Ich dachte du bist noch in Dänemark unterwegs. 🙂
Die Krameramtsttuben sind in der Tat knuffig. Man glaubt es wirklich kaum, wenn man vor dem Tor steht.
Wünsche dir noch ein zauberhaftes Wochenende.
Liebe Grüße,
Claudia