Die Hafenstraße – eine Straße mit bewegter Vergangenheit
Die Hafenstraße in Hamburg ist für viele Schandfleck und Anziehungspunkt zugleich, aber vor allem ein Stück Geschichte Hamburgs. Der bunte Anstrich der Hausfassaden hat den Häusern eine ganz eigene Symbolik verliehen und spiegelt das turbulente Geschehen der vergangenen Jahrzehnte wider. Keine Ahnung wie es euch geht, wenn ihr die Häuser seht, aber ich muss immer hingucken und finde die höchst interessant, ganz besonders den Hintergrund, der damit verbunden ist.
Die Häuser, die Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut wurden, befinden sich zwischen der Reeperbahn und den Landungsbrücken. Die Hafenstraße ist der Inbegriff für die besetzten Häuser der St. Pauli-Hafenstraße und der Bernhard-Nocht-Straße. In den achtziger Jahren teils als „rechtsfreier Raum“ angesehen, kam es entlang des alten „bunten“ Gebäudeensembles zu Hausbesetzungen, Straßenbarrikaden, Festnahmen und Räumungen.
Ein Teil der Häuser sollte in den 1980ern aufgrund eines Baugutachtens, welches die Unbewohnbarkeit der Gebäude feststellte, abgerissen werden. Die Grundstücke sollten wie so oft einer profitableren Verwendung zugeführt werden. Dies und das Bedürfnis bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, führte 1981 in der Silvesternacht zur ersten „schleichenden“ Besetzung der Häuser.
Als die SAGA im Frühjahr 1982 die teilweise erfolgte Besetzung bemerkte, ließ sie die Häuser räumen. Bereits zwei Tage später waren die Häuser erneut „instandbesetzt“. Es kam zu ersten Auseinandersetzungen, worauf die SAGA die Erdgeschosse einiger Häuser zumauern ließ, was zur Folge hatte, dass Bewohner im Gegenzug den Eingang der SAGA-Verwaltung in Altona zumauerten. Die Bewohner forderten Verhandlungen über einen Nutzungsvertrag. Zuerst kam es auch zu einer Vereinbarung. Die Gebäude wurden winterfest gemacht und die Elektrik repariert. Obwohl die Gelder 1983 dafür bewilligt wurden, geschahen erste Ausschreitungen, die Hausdurchsuchungen und Festnahmen zur Folge hatten.
Die Stadt Hamburg begann mit einer Ausschreibung zur Neugestaltung des Hafenrandes. Die Bewohner dagegen forderten eine Generalnutzung der Häuser sowie deren Freiflächen. Im November wurden Mietverträge abgeschlossen, die auf drei Jahre befristet waren. Die Bewohner begannen mit Instandsetzungsarbeiten an den Häusern, um die im Baugutachten festgestellte „Unbewohnbarkeit“ zu entkräften.
Es entstand ein Wandbild, das für viele Jahre zum Symbol der Hafenstraße werden sollte und oft auch als ein „buntes Bild des Horrors“ bezeichnet wurde.
Zwischen Weihnachten und Silvester fanden die ersten „Silvestertage“ statt. Sie waren eine Mischung aus politischen Treffen und Veranstaltungen.
Im Herbst 1985 befassten sich sogar mehrere Medien mit dem Verdacht, verschiedene Personen aus dem Umfeld der Rote Armee Fraktion würden in der Hafenstraße wohnen. Immer wieder kam es zu Ausschreitungen und Festnahmen. 1986 beschlossen die Bewohner sich Diskussionen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu öffnen. Doch Rechtsstreitigkeiten um gekürzte oder nicht gezahlte Mieten nahmen ihren Lauf. Häuser wurden besetzt und wieder geräumt. Bei einem Großeinsatz der Polizei wurden Häuser durchsucht, geräumt und Möbel aus den Fenstern geworfen. Sogar Lebensmittel und Betten wurden mit Reizgas besprüht.
Im Frühjahr 1987 kam es zu mehreren koordinierten, teils militanten Aktionen an verschiedenen Orten in Hamburg mit dem Ziel, die ständigen Polizeieinsätze zu beenden, was auch gelang.
Im Sommer glückte schließlich die offizielle Wiederbesetzung der geräumten Wohnungen. Die Befestigung der Häuser gegen die anstehende Räumung sowie eine breite Öffentlichkeitsarbeit zugunsten einer vertraglichen Lösung bestimmte fortan den Alltag in den Häusern.
1995 verkaufte die Stadt elf Häuser an die extra für diesen Zweck gegründete Genossenschaft „Alternativen am Elbufer“. Die Häuser wurden saniert. Die Gesamtkosten beliefen sich auf mehr als 9 Millionen Euro. 3,85 Millionen wurden von der Behörde übernommen, die Genossenschaft brachte 1,3 Millionen auf.
Heute besteht die Hafenstraße aus 12 Häusern, die alle Eigentum der Genossenschaft sind. Im Oktober 2007 ist sogar ein Wohnungsneubau für ca. 40 Bewohner (Wohnprojekt planB) an der Bernhard-Nocht-Straße 26 dazugekommen.
Gegenseitige Provokationen von Bewohnern, Behörden und der Polizei gibt es heute noch, zwar seltener, aber wenn, führen sie oft zu Ausschreitungen und Polizeieinsätzen.