Auch in Niendorf hat die Fischerei eine lange Tradition und das, obwohl es hier früher gar keinen Hafen gab. Dieser wurde nämlich erst 1920 künstlich angelegt. Bis dahin waren die Fischer gezwungen ihre Boote mühevoll auf den Strand hochzuziehen. Wo sich heute Badegäste tummeln, standen früher die Lagerschuppen der Fischer und am Strand waren die Netze zum Trocknen ausgebreitet. Genau das sollte zukünftig zum Problem werden.
Natürlich entdeckten auch in Niendorf immer mehr Menschen den Badekult. Feine weiße Sandstrände und die gesunde Seeluft lockten geradezu ein neues Seebad aufblühen zu lassen. Da erholungssuchende Badegäste und Fischgeruch nicht zusammen passen und die Tourismusbetriebe um Einbußen fürchteten, sollten die Fischer nun plötzlich den Strandbereich für den aufkommenden Badebetrieb freimachen. Das wiederum war natürlich ein Problem für die Fischer, da sie den Strand für ihre Netze, Lagerschuppen und ihre Boote benötigten.
Dieses Hin und Her war auch der Grundstein für die Gründung des Vereins „Niendorfer Fischer e.V.“ Damals gab es sogar einen Rechtsstreit. Das Oberverwaltungsgericht in Oldenburg entschied allerdings zugunsten der Fischer. Da sie als einzige seit jeher den Strand nutzten, sicherte das Gericht den Fischern die alleinigen Strandrechte zu.
Erst mit dem Bau des Hafens und der Erlaubnis zur Nutzung des Hafengeländes verzichteten die Fischer im Gegenzug auf die Strandrechte. Für die Fischer wurde nun vieles leichter, denn die Boote hatten feste und sichere Liegeplätze und brauchten nicht mühevoll den Strand hochgezogen werden. So entwickelte sich Niendorf im Laufe der Zeit vom Fischerdorf zum Ostseeheilbad. Heute möchte allerdings keiner auf die Fischer verzichten. Haben sie doch den größten Anteil an dem Flair hier im Hafen.
Fangfrischer Fisch direkt am Hafen
Mit dem Direktverkauf von frischem Ostseefisch – vor allem Dorsch, Hering, Plattfisch, Aal und Lachs – am Niendorfer Hafen hat die Fischerei ein zweites Standbein gewonnen. Auch ist der Ort um eine Attraktion reicher geworden. Wirklich frischen Fisch kaufen und den Fischern bei der Arbeit zuschauen zu können, das gibt es nicht mehr allzu oft. Der fangfrische Fisch wird jeden Tag von den Fischersfrauen angeboten, die hier in den Fischverkaufsständen stehen. Gern darf man sich dabei im plattdütschen Schnack versuchen – die besten Filetiertipps gibt es jedenfalls kostenlos dazu.
Den größten Boom verzeichnete die Fischerei nach dem II. Weltkrieg. 1951 sorgten 140 Fischkutter (davon 15 Hochseekutter) dafür, dass rund 175 Menschen ihren Lebensunterhalt damit verdienen konnten. Dazu zählten auch viele Flüchtlingsfamilien. Mit Einführung von Fangquoten in den 1990er Jahren, um der Überfischung Herr zu werden, erfolgte der Einbruch. Mal zum Vergleich: Damals wurden ca. 5.000 Tonnen Fisch pro Jahr angelandet, während es heute gerade mal 100 Tonnen Fisch sind.
Ein Niendorfer Urgestein
Einem Fischer, dem Niendorfer Urgestein, wird sogar noch ganz besonders gedacht. Zwischen all den neuen Fischerhütten steht ein alter Wohnwagen. Das war der Arbeitsplatz von Fischerwirtschaftsmeister Gerhard Heinzl Ficht. Er flüchtete mit seiner Familie per Schiff nach Niendorf, wo man gemeinsam eine neue Heimat fand. Nach der Schule absolvierte Gerhard eine Ausbildung bei seinem Onkel in Heiligenhafen. Bereits mit 17 Jahren ging er auf Fischtrawlern auf „Große Fahrt“. Sein Revier war die Nordsee bis hinauf zum Eismeer. Seine letzten Jahrzehnte verbrachte er jedoch wieder in Niendorf, wo er am 15.03.2011 verstarb.
Übrigens: Wer nicht weiß was die Zeichen „NIE“, „TIM“ und SO bedeuten… Die beiden ersten sind dem Fahrtgebiet entsprechend Küstenfischereikennzeichen und stehen für Niendorf (NIE) und Timmendorfer Strand (TIM). Das dritte Zeichen ist ein Fischereikennzeichen für die Hochseefischerei und bedeutet „S“ für Schleswig-Holstein und „O“ für Niendorf / Ostsee, da das „N“ bereits an Neustadt vergeben wurde.
2 Kommentare zu „Der Niendorfer Hafen und seine Fischer“
Liebe Claudia,
Euer Blog über Niendorf gefällt mir auch wieder besonders gut. Über die Geschichte der Fischerei in Niendorf und die Entstehung des Hafens wusste ich bisher auch noch nichts. Das hast Du sehr schön beschrieben.
Den Wohnwagen von Gerhard Heinzl Ficht haben wir auch nicht entdeckt, als wir im März in Niendorf waren.
Und die Fotos sind natürlich – wie immer – wunderschön.
Herzliche Grüße und einen schönen Abend
Karin
Liebe Karin,
vielen Dank, das freut mich aber. Ich finde es immer spannend, wenn man eine Gegend nicht nur besucht, sondern auch einiges über sie in Erfahrung bringt. Der Wohnwagen müsste dort aber eigentlich noch stehen, ich vermute mal, dass man ihn einfach übersieht, wenn man um die Geschichte nicht weiß.
Heute wird es windig. Passt schön auf euch auf.
Ganz liebe Grüße,
Claudia