Nüchtern betrachtet ist der Kniepsand eine extrem langsam wandernde Sandbank in der Nordseeküste und nimmt eine Fläche von circa zehn Quadratkilometern ein. Emotional betrachtet ist das ein Strand, bei dem dir das Herz aufgeht. Mehr noch, als wir ihn zum ersten Mal betraten, hatten wir förmlich Pipi in den Augen.
Zumal wir an unserem letzten Tag auf Amrum nun doch noch Glück mit dem Wetter haben sollten. Es war zwar nach wie vor ganz schön kalt, aber der Himmel schenkte uns ab und zu ein paar blaue Farbtupfer. Das nutzten wir zum Einen für eine kurze Inselrundfahrt mit dem Auto, wo uns Kerstin vom „Mein Inselhotel„ im Schnelldurchgang einige Hotspots der Insel zeigte und zum Anderen, um die legendäre Burg von Pancho zu besuchen.
Das Auto stellten wir auf einem Parkplatz bei Nebel ab und gingen dann schnurstracks an den Strand. Erst rechts und links noch diese atemberaubenden Dünen und dann absolute Weite. Irre! Uns übermannten förmlich die Gefühle aus Glück und Freiheit. Wir neigen dann ja immer zu diesem planlosen Ausströmen in alle Richtungen, welches wir schon von St. Peter-Ording her kennen. Aber das hier sollte noch alles toppen.
Immerhin haben wir zwei Tage auf diesen Moment gewartet und waren echt schon gefrustet, dass wir bisher nur schlechtes Wetter erwischt hatten, aber das war nun wie weggeblasen. Man wusste gar nicht wo man zuerst hingucken bzw. -gehen wollte. Am liebsten hätten wir den ganzen Strand umarmt, so schön war das.
Ralph erblickte sofort die ersten Fotomotive und war ganz in seinem Element. Wie gut nur, dass wir Kerstin dabei hatten, denn ohne sie hätten wir uns hier total verloren. Während Ralph im Zickzack-Lauf die Motive einfing, ging ich mit Kerstin weiter in Richtung Wasser. Hach, selbst beim Schreiben übermannt mich noch dieses tolle Gefühl.
Von Kerstin erfuhr ich, dass selbst sie, die nun schon seit fast 30 Jahren hier lebt, immer noch so fasziniert ist von der Insel und den endlosen Weiten. Das kann ich voll und ganz verstehen. Während sie uns langsam weiter in Richtung Panchos Burg führte, lernte ich noch viele neue spannende Sachen über Flora und Fauna.
Schon im Hotel gab es viele eindrucksvolle Funde zu entdecken, die sie selbst am Strand gesammelt hatte. U. a. war da ein Gehäuse von einer Wellhornschnecke, welches ich ihr auch prompt abluchsen musste. 😉 Und hier am Strand erfuhr ich nun wie die Kinderstube dazu aussieht, oder welche Arten von Muscheln und Austern heimisch sind oder nicht.
Aber woher kommt eigentlich der Name Kniepsand? Erklärungen gibt es viele. Eine der logischsten scheint zu sein, dass die gewaltigen Sandmassen Amrum quasi in eine Kneifzange genommen haben. „Kniepen“ heißt im Norddeutschen „kneifen“.
Was mich irgendwie erstaunt hat ist, dass der 15 Kilometer lange und knapp zwei Kilometer breite Kniepsand eigentlich nicht zu Amrum gehört, sondern der gesamten Westküste der Insel nur vorgelagert ist. Zwar geht er in die zur Insel gehörenden Sanddünen über, doch geologisch betrachtet gehören sie nicht zusammen. Egal, für uns ist das Ganze ein traumhaft schöner Strand mit endlos erscheinenden Weiten.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Allmählich näherten wir uns der Burg von Pancho. Der Berliner Künstler „Pancho“ hat ein Kunstwerk aus allem geschaffen, was man am Strand so finden kann. Aber wirklich aus allem, was da so täglich an den Strand gespült wird. Ob Diskokugeln, Netze, Bretter, Gummistiefel, Gummihandschuhe, Rettungsringe, Eimer etc. Es ist unglaublich, denn man wird förmlich erschlagen von all den Details.
Diese Burg ist bereits Panchos zweite Burg, denn die erste wurde in den 90iger Jahren in nur einer Sturmnacht zerstört und dann in einer Hamburger Kunsthalle neu aufgebaut. Wie lange sich dieses Kunstwerk noch hält, ist allerdings ebenfalls fraglich, denn die Stürme und Sturmfluten aus dem letzten November haben diesmal heftig an den Dünen genagt und bereits vieles von dem Bauwerk zerstört. Kerstin zeigte uns eine Stelle, wo die Dünen weggespült wurden und nur noch ein tiefes Loch im Boden ist. Hier hatte sie im letzten Herbst noch mit ihren Freundinnen gesessen und gepicknickt.
Da werden einem die Naturgewalten wieder so richtig deutlich vor Augen gehalten. Auch, dass diese Dünen, auf denen wir hier gerade standen, sich in ständiger Bewegung befinden. Im Winter wird der Kniepsand regelmäßig von hohen Sturmfluten überspült. Anders als auf Sylt fungiert der Kniepsand auf Amrum nämlich als natürlicher Inselschutz bei Sturmfluten und liefert reichlich Sand für den Aufbau des sich anschließenden Dünengürtels. Man ist sich sogar sicher, dass im Laufe der nächsten Jahrhunderte, ein Weiterwandern des Kniepsandes um die Nordspitze Amrums herum, zu erwarten ist.
Der Kniephafen, den es mal in Norddorf gegeben hat und Mitte des 19. Jahrhunderts noch großen Handelsschiffen als Ankerplatz diente, ist jedenfalls schon verschwunden. Bis Mitte der 1960er-Jahre war der Kniepsand sogar noch durch einen Priel von der Insel getrennt. Seither wandert er immer weiter um die Amrumer Odde herum.
Irgendwie mochten wir uns von hier gar nicht so richtig trennen. Kerstin musste jedoch ins Hotel zurück und so entschlossen wir uns schweren Herzens für den Rückweg. Gott sei Dank war unsere Fähre erst für den Abend gebucht und so nutzen wir die Zeit noch für ein paar andere Stellen auf der Insel.
Ein dickes Danke schön an dich Kerstin, dass du uns die Insel und diesen tollen Strand gezeigt hast. Wir sind auf jeden Fall mit dem InselVirus infiziert und kommen hoffentlich bald wieder.
2 Kommentare zu „Der Kniepsand – eintauchen, abtauchen, frei fühlen“
Liebe Claudia,
so, jetzt hast Du mich auch endgültig mit dem Amrum-Inselvirus infiziert. Da möchte ich auch hin!
Und wieder schreibst Du so schön und spannend, dass Geschichte und Wissen ganz leicht vermittelt werden. Danke!
Einen schönen Tag und
lieben Gruß
Martina
Liebe Martina,
na in diesem Fall bin ich doch dann gern der Übeltäter. 😉
Und vielen Dank wieder mal für die lieben und netten Worte über meine Texte. Darüber freue ich mich wirklich sehr.
Dir auch noch einen schönen und sonnigen Tag.
Herzliche Grüße,
Claudia