Dass wir von der niederländischen Insel Texel begeistert sind, ist anhand der vergangenen Beiträge wohl kein Geheimnis mehr. Doch neben der Landschaft gab es auch Projekte, die es uns angetan hatten. Zwei davon möchten wir euch vorstellen.
Eins von diesen Projekten hat Marc van Rijsselberghe ins Leben gerufen. Marc war jahrelang herkömmlicher Landwirt, bevor er sich in den Kopf gesetzt hatte, die Welt zu retten. Das klingt jetzt erstmal ziemlich hochtrabend und sind auch eher meine Worte, doch wenn man sich überlegt, dass unsere Erde überwiegend aus Wasser besteht, davon aber nur zwei Prozent Trinkwasser sind, dann steht dieses Ziel plötzlich in einem ganz anderen Licht.
Der Hintergrund für diese Gedanken ist mehr als ehrenwert, denn die Bevölkerung auf der Erde wächst und alle wollen satt werden. Nur zu oft haben Länder es doppelt schwer, nämlich dann, wenn die Böden eh schon karg sind oder wenn Überschwemmungen diese unbrauchbar gemacht haben. Das Meerwasser ist nun mal salzhaltig und wenn zum Beispiel durch einen Tsunami die Böden überschwemmt werden, sind diese für die Landwirtschaft auf Jahre unbrauchbar.
Zumindest wurde dies immer anhand von Messdaten und Richtlinien behauptet. Diese stellten Marc aber nicht zufrieden. Früher hatten die Menschen in Küstennähe doch auch schon mit Ernten auf salzigeren Böden Glück gehabt. Wenn auch nicht allzu üppig, aber immerhin. Also fing er an zu forschen und auszuprobieren.
Auf Versuchsfeldern wurden nun Kartoffeln, Gemüse und Kräuter angepflanzt. Diese wurden mit einer Tröpfchenbewässerung, die natürliches Meerwasser enthielt, befeuchtet. Am Anfang ging ziemlich viel schief, aber es stellten sich auch erste Erfolge ein. Viele Kartoffel- oder Gemüsesorten eignen sich tatsächlich für die Zucht auf salzhaltigen Böden.
Nachdem die ersten Sorten gefunden wurden, die tatsächlich ein gesundes Wachstum auf salzigen Böden hatten, wurden diese in Länder, wie zum Beispiel Pakistan, versuchsweise angebaut und das mit sehr großem Erfolg.
Ich finde, dass gerade solche Projekte große Anerkennung verdienen, weshalb wir es uns auch nicht nehmen lassen darüber in unserem Blog zu berichten. Auf den Versuchsfeldern durften wir sogar live einige Sachen probieren und ich muss schon zugeben, dass mich einiges vom Wuchs und vom Geschmack her verblüffte. Neben Queller, der ja eh am Meeresboden wächst, durften wir diverse Gemüse und Kräuter testen. Ganz besonders das Eiskraut, das war der Hammer. So etwas von knackig und lecker. Ganz zu schweigen davon, dass es noch die totale Vitaminbombe ist.
Für zuhause durften wir uns sogar einige Kartoffeln mitnehmen, die wir dann am heimischen Herd kochen und probieren durften. Besonderer Clou, in das Wasser gehörte statt Salz Blasentang, der die ganze Küche in den Duft der Nordsee tauchte. Zugegeben, das war etwas ungewöhnlich, aber die Kartoffeln waren echt lecker und ganz und gar nicht salzig, wie man vielleicht vermuten würde.
Ein anderes, vielleicht nicht ganz so spektakuläres Projekt, ist der Naturbauernhof Plassendaal in Waalenburg. Dieser gehört wohl schon mit zu den Zukunftsprojekten der Insel, die sich zum Ziel gesetzt hat, klimaneutral zu werden.
In dem Landstrich, wo der Bauernhof steht, waren früher viele Bauern, die allerdings alle für dieses ehrgeizige Projekt umgesiedelt wurden. Wie man sich denken kann, waren anfangs davon natürlich nicht alle begeistert. Doch auf Texel hat man erkannt wie wichtig der Einklang mit der Natur ist und so versucht die Insel die Landwirtschaft und den Naturschutz im Gleichgewicht zu halten.
Der Hof unterliegt der Leitung von Mariët Roeper, einer sehr sympathischen Frau, die hier zusammen mit ihrer Familie lebt und arbeitet. Ihr zur Seite stehen vier Helfer, die eine geistige Behinderung haben. Auch das gehört zur Philosophie des Hofes. Mariët hat uns auf dem Hof herumgeführt und alles gezeigt. Ich muss gestehen, dass ich bei der Flut an Informationen nicht alles behalten habe, aber alles was mein Köpfchen noch weiß, gebe ich hier weiter. 😉
Fakt ist jedenfalls, dass der Hof absolut autark ist. Das war nämlich die Grundvoraussetzung zur Erhaltung der Lizenz für diesen Natur- und Lehrbauernhof, die für 26 Jahre ausgeschrieben ist. Dazu gehört zum Beispiel auch eine spezielle Heizungsanlage. Diese wird mit Pellets, die von dem umliegend wachsenden Schilf geerntet, getrocknet und gepresst werden, befeuert.
Um den Hof herum wurden die ehemaligen Ackerflächen renaturiert. Auf speziellen Flächen, dort wo sich seltene Pflanzen, wie die wilde Orchidee, wieder angesiedelt oder Weidevögel ihr Brutgebiet haben, dürfen auch keine Kühe weiden.
Dass die 33 Mutterkühe hier dennoch ein glückliches Leben führen, davon konnten wir uns selber überzeugen. Von der Küche aus, hier finden alle möglichen Seminare für Schulklassen zu dem Thema statt, hat man durch die riesige Fensterfront einen perfekten Blick auf die Herde.
Mein Lebtag habe ich noch nicht so entspannte Kühe gesehen, die sich übrigens am liebsten im Stall aufzuhalten scheinen. Als ich die jungen Kälber gesehen habe, wäre ich am liebsten gleich zum Knuddeln runter gelaufen. Die Kühe dürfen hier auf dem Hof 15 Jahre ein glückliches Leben führen, bevor auch sie dann geschlachtet werden.
Sogar die Stallhygiene läuft hier durch einen natürlichen Kreislauf hindurch. Nur ganze zwei Mal wird im Jahr ausgemistet. Wie genau und welche Zersetzungsgeschichten da zum Tragen kommen, habe ich leider nicht mehr ganz behalten. Ökologisch gesehen aber wohl sehr wertvoll.
Alles in allem hat uns die Insel mit vielem überrascht und begeistert. Einiges davon wünschte ich mir für Deutschland, denn an vielen Stellen kann sich unser eigenes Land noch ein Scheibchen abschneiden.
4 Kommentare zu „Texel: Eine Insel mit großen Ambitionen“
Den Salzlandbau fand ich auch ziemlich spannend, obschon mir diese grün-braunen Knubbel – Blasentang also? – im Kochwasser nicht gefallen haben… 🙂 Solche Engagements zeigen wirklich, WIEVIEL möglich ist! Vielfalt statt ewig Gleiches.
Der Bauernhof war toll. Sympathisch fand ich auch, dass man dort jungen Menschen mit Behinderung wertvolle Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Die Holländer machen da scheinbar viel mehr als wir: In unmittelbarer Nähe gibt es zwei tolle Cafés / Bistros, wo mindestens die Hälfte des Teams Menschen mit geistiger Behinderung ausmacht. Die Holländer machen das ganz, ganz toll und gehen so bewundernswert offen und natürlich damit um.
Schöner Bericht, sonnige Grüße
Jutta
Liebe Jutta,
das mit dem Blasentang war schon ziemlich ungewöhnlich, zumal die ganze Küche echt nach Nordsee, mehr eigentlich noch nach Fisch gerochen hat. Das fanden wir anfangs schon echt merkwürdig und hatten uns zuerst gar nicht recht getraut die Kartoffeln zu probieren. Doch die waren lecker, wenn auch nicht ganz so gehaltvoll vom Geschmack, wie wir es gewohnt sind.
Den Bauernhof fand ich wirklich super und solche Projekte sind echt lobenswert. Die Holländer gehen mit vielem in der Tat recht offen um. Wir haben zwar ähnliche Projekte, Behindertenwerkstätten und so, doch hier habe ich immer das Gefühl, als dürfe es nur hinter verschlossenen Türen stattfinden. Dabei sind es genauso wertvolle Menschen.
Wir haben für uns aus der Reise nach Texel sehr viel mitgenommen und ich wünschte, einiges ließe sich hier ebenfalls so umsetzen. Deutschland stellt sich immer noch gern als das zukunftsorientierte und nachhaltig denkende Land da und hat dabei nicht gemerkt, dass andere Länder inzwischen viel weiter sind.
Ganz herzliche Grüße,
Claudia
Ich denke, die Holländer sind nicht so „verkopft“. Was hier z.B. Werkstätten FÜR Menschen mit Behinderung sind, sind in Holland Werkstätten MIT Menschen mit Behinderung. Da ist man gleichberechtig. Ganz ehrlich: So etwas habe ich hier noch nicht erlebt wobei das natürlich nicht viel heißen will. Wenn du Lust hast, schau auf Facebook einmal unter „bglunchen“ / Bijzonder Gewoon. Die sind gleich bei mir um die Ecke und sooooo gut!
Herzliche Grüße
Jutta
Da magst du Recht haben. Ich stelle hier oft fest, dass Menschen ohne Behinderung, Angst vor Menschen mit Behinderung haben, da die Motorik und die Aussprache eine andere ist.
Danke für den Tipp, da gucke ich gleich mal.