Überall im Hamburger Hafen ist Aufbruchstimmung, es wird umgebaut, modernisiert und erweitert, nur an einer Stelle ist absolute Stille – Sonntagsstille könnte man fast sagen. Verwaiste Anleger und Wasserbecken die mehr und mehr verschlammen, Schilder mit tschechischer Aufschrift verblassen, Zäune vergammeln. Anscheinend niemand mehr, der sich hierher verirrt. Die Rede ist vom Tschechen-Hafen in Hamburg.
Angefangen hat alles mit dem Ersten Weltkrieg. Deutschland bzw. das Deutsche Reich musste nach seiner Niederlage den Tschechen einen zollfreien Zugang zum Meer ermöglichen. Das geht aus dem Versailler Vertrag, der im Jahre 1919 festgeschrieben wurde, hervor.
Darin heißt es im Artikel 363 wie folgt:
„In den Häfen Hamburg und Stettin verpachtet Deutschland der Tschecho-Slowakei für einen Zeitraum von 99 Jahren Landstücke, die unter die allgemeine Verwaltungsordnung der Freizonen treten und dem unmittelbaren Durchgangsverkehr der Waren von oder nach diesem Staate dienen sollen.“
Aber wie so oft haben sich die Deutschen und die Tschechen lange gestritten – 10 Jahre um genau zu sein, welche Grundstücke es denn sein sollen. Die Hanseaten boten den Tschechen zunächst den östlichen Teil des Spreehafens an, damit war die Tschechoslowakei aber nicht einverstanden. Sie wollten lieber ein Hafenbecken für Hochseeschiffe haben, doch dafür fehlte wohl das Geld. Nach langem Hin- und Her wurde der Vertrag 1929 unterschrieben. Letztendlich erhielten sie die Ufer-Grundstücke am Moldau- und am Saalehafen. Dieser wurde schnell zur Drehscheibe für ihre Waren.
Geht man jetzt an den leeren Gebäuden vorbei, kann mit die goldene Ära der 70er- und 80er- Jahre nur noch erahnen. Wo einst täglich Dutzende Binnenschiffe lagen, gibt es nur noch ein verschlammtes Hafenbecken indem beladenen Schiffe nicht mal mehr hinein fahren könnten.
Im Saalehafen lag sogar mehr als 50 Jahre das Klubschiff „Praha“, welches den Hafenarbeitern ein Stück Heimat vermittelte sollte. Sie erhielten in der Kantine böhmische Küche, es gab ein Kino und einen Spielsalon. Auf dem Schiff konnten die Tschechen mit Kronen bezahlen. Heute erinnern nur noch die Ketten an den Pfählen an den alten Standort, sowie das Schild vom Parkplatz, das bis heute noch den PKW-Platz für Klubschiffs Mitarbeiter reserviert.
Der eigentliche Stolz der tschechischen Hafenarbeiter lag im Moldauhafen, es soll das weiße Werkstattschiff gewesen sein, dort konnten die Binnenschiffe repariert werden.
In den 1980er-Jahren verfügt die Tschechoslowakische Elbe-Schiffahrtsgesellschaft (ČSPLO) über mehr als 600 Binnenschiffe und Transportschuten. Das Kürzel ČSPLO steht für die Tschechoslowakische Elbe-Schiffahrtsgesellschaft, die zu den drei größten Binnenschiffs-Reedereien Europas zählte. Verursacht durch die politische Wende im Ostblock, war dies auch die Zeit, wo der Niedergang des Hafengeländes begann. Die staatliche Reederei wurde privatisiert und die meisten Schiffe abgegeben. 2001 meldete die Tschechoslowakische Elbe-Schifffahrts-Aktiengesellschaft endgültig Insolvenz an, danach ging es nur noch darum die verbliebenen Schiffe und Anlagen zu Geld zu machen.
Was wird wohl aus dem Gelände wenn der Pachtvertrag im Jahre 2028 ausläuft?
2 Kommentare zu „Der Tschechen-Hafen in Hamburg liegt im Dornröschenschlaf“
Hallo,
ich bin heute durch “Hamburgs Brücken” via Facebook auf diese tolle Seite aufmerksam geworden. Danke für’s Teilen meiner Hafentour.
Sehr schöner Artikel über den Tschechen-Hafen. Ich fahre dort häufig vorbei, muss aber zu meiner Schande gestehen, dort noch nie angehalten zu haben.
Sieht aus wie ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben ist, während sich drumherum der Hafen rapide verändert. Ein lohnendes Ziel für einen Ausflug mit der Kamera.
Viele Grüße
Sascha
Hallo Sascha,
ja das stimmt. Wir sind auch sehr oft vorbei gefahren, erst als ich jede Menge darüber gelesen hatte, dachten wir es wäre mal einen Beitrag wert. Auf jeden Fall danke, für Deinen netten Kommentar, so etwas freut einen doch.
Liebe Grüße
Claudia