Die Sonne küsst mich wach. Meine Augen blicken in einen strahlend-blauen Himmel. Es ist Sonntag. Heute soll der letzte warme Tag vor dem Wetterumbruch sein. Aufregung und Vorfreude machen sich breit. Flugs aus dem Bett und in die Klamotten gehüpft, schnell noch einen Latte Macchiato einverleibt, bloß keine Zeit verlieren – es geht auf die Insel.
Die Autofahrt verläuft ruhig. Allerdings zeichnet sich vor uns eine Wetterteilung ab. Von links kommen dichte Wolken, während von rechts die Sonne kitzelt. Wie ein Mop zieht sich die Wolkenwand. Hey was ist los denke ich mir, es soll doch heute so schön sein. Die Stimmung droht für einem Moment zu kippen. Doch dieser ist nur kurz, die ersehnte Brücke ist in Sicht. Und da ist es wieder, dieses Gefühl – eine Mischung aus Freude und Ankommen.
Unser Weg führt uns durch Burg. Die Straßen wirken verschlafen, nur wenige Geschäfte haben geöffnet. Touristen und Einheimische lassen sich vom Angebot locken, doch alles ist viel ruhiger – ausgeglichener. Wir fahren durch verträumte Dörfer, vorbei an schnuckeligen Häusern. Bis, ja bis wir endlich den Strand von Staberhuk erreichen. Nur noch wenige Meter, und wir sind am Strand.
Am Strand begegnen uns junge Familien mit Kindern, die auf Schatzsuche sind. Eifriges Entdecken, erstaunte Kinderaugen auf der Suche nach dem schönsten Stein. Unsere Füße tragen uns zuerst in Richtung Leuchtturm und später bis Katharinenhof. Die Steine knirschen unter den Füßen. Mit jedem Schritt verstummt das Kinderlachen. Stille macht sich breit. Der Blick schweift über den Strand, der einer Mondlandschaft gleicht. So bizarr, fast unwirklich und doch sanftmütig.
Ich stelle mich auf einen Felsen und gucke aufs Meer. Die See ist fast stumm, alles wirkt still – wie die Ruhe vor dem Sturm. Meine Blicke suchen den Horizont ab und bleiben kurz an einem Fischerboot weit draußen auf der See hängen. Während auf dem Festland der Himmel klar zu sein scheint, ist die Insel eingehüllt in eine graue Wand aus Wolken. Doch von Unbehagen keine Spur. Freiheit trifft es eher. Die Gedanken schwirren irgendwo zwischen Himmel und Erde und verlieren sich am Ende völlig. Ich fühle mich geerdet – angekommen. Ein großartiges Gefühl.
Am liebsten würde ich genau diesen Felsstein mit nach Hause nehmen, aber das geht natürlich nicht. Darum suche ich mir einen kleinen, der mich auch zu Hause an diesen wundervollen Moment erinnert.
Gedankenverloren und erfüllt von der Stille merken wir gar nicht, wie die Zeit vergeht. Doch der Blick an den Himmel verrät uns, dass wir besser zum Auto zurück sollten. Die Farbpalette reicht inzwischen von dunkelgrau bis tiefschwarz. Angekommen am Auto blinzelt uns die Sonne noch kurz zu und wir machen uns, mit dem unbändigen Gefühl, dass uns nichts aus der Ruhe bringen kann, auf den Heimweg.
Beim Überqueren der Brücke blicke ich immer wieder zurück. Die Wolkenfront scheint die komplette Insel zu überziehen. Flügge ist nicht mehr zu sehen und auch die Fehmarnsundbrücke wird mehr und mehr verschlungen. Wir stoppen mit dem Auto, um uns das Geschehen anzugucken. Dann bricht es los, und das Unwetter tobt sich über der Insel aus. Regentropfen prasseln auf unser Autodach und nehmen uns die Sicht durch die Scheiben. Muss ich Angst haben um meine Insel? Nein, ganz sicher nicht. Ein Unwetter kann ihr nichts anhaben – ist sie doch mein Fels in der Brandung.
Meinen Stein lege ich auf den Nachttisch und schlafe mit einem Lächeln ein.
Unser Buchtipp für euch:
Unser Fehmarn
Fehmarns Küsten – Eine Entdeckungsreise
Autoren: Claudia Kerpa u. Ralph Kerpa
Hardcover, 104 Seiten
ISBN: 978-3752690798
Verlag: Books on Demand
Erscheinungsdatum: 22.03.2021
Farbe: Ja
Preis: 39,00 € // E-Book: 14,99 €
4 Kommentare zu „Mein Fels in der Brandung“
Hallo ihr Zwei,
das ist mal ein ganz anderer Beitrag und eine sehr schöne Abwechslung. Spannend wie ein kleiner Krimi und sehr melancholisch. Auch die mystischen schwarz-weiß Aufnahmen passen perfekt dazu.
Liebe Grüße
Denise
Moin liebe Denise,
schön, das freut uns.
Ganz liebe Grüße zurück,
Claudia
Moin, ihr Beiden
der Bericht ist sehr schön, hat mir Gänsehaut gemacht! Und die Bilder sind wunderschön und mystisch. Bitte mehr davon.
Ich hab auf der Brücke immer Pipi in den Augen. Hin vor Freude und zurück aus Abschiedsschmerz.
GLG Sabine
Moin liebe Sabine,
danke dir. Ehrlich gesagt war/bin ich ein wenig unsicher gewesen, denn wir zeigen uns sonst so fröhlich und farbenfroh. Nur das, finde ich zumindest, passt nicht so ganz zu dieser Art von Photographie. Die wiederum ist eine Ralphs liebste Art zu fotografieren.
Oh, das mit dem Pipi in den Augen kennen wir auch und auf dem Rückweg gucke ich immer so lange auf den Flügger Leuchtturm bis ich ihn nicht mehr sehen kann.
Liebe Grüße,
Claudia