Die Elbvertiefung: Ein Kampf David gegen Goliath – Umwelt gegen Jobs.
Morgen entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die geplante Elbvertiefung, und ich muss gestehen, ich bin ganz schön im Twist deswegen. Ein Slogan lautet: „Hamburg ist das Tor zur Welt“. Logisch, dass hier jeder arbeiten und sein Geld verdienen möchte, aber zu welchem Preis? Egal wie der Prozess ausgeht, Verlierer sind wir irgendwie jetzt schon.
Die Wirtschaft will uns weismachen, dass wir die Elbvertiefung um jeden Preis brauchen. Und wie macht man das am besten? Indem man mit der größten Angst des Menschen wirbt, dem Verlust des eigenen Jobs. Ich weiß nicht wie ihr zu dieser Sache steht, aber egal, ob Gegner oder Befürworter, hier nur kurz mal ein paar Fakten, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte.
Bei der erneuten Fahrrinnenanpassung soll die Elbe auf rund 136 Kilometern um bis zu 2,42 Meter vertieft und teilweise um bis zu 20 Meter verbreitert werden. Der ganze Spaß soll ca. 600 Millionen Euro Steuergelder kosten. Ob das dabei bleibt oder am Ende doch viel teurer wird, steht in den Sternen. Vielen ist dabei gar nicht klar, dass unser schöner Hafen schon jetzt ein erhebliches Problem hat, seine Fahrrinnen freizuhalten. Die Tideelbe transportiert mit jeder Flut Sedimente in den Hafen. Bereits jetzt müssen jedes Jahr drei bis fünf Millionen Kubikmeter Elbsediment – eine Mischung aus Sand und feinkörnigem Schlick – gebaggert werden.
Und wo bringt man das hin?
Auch dafür gibt es bisher keine adäquate Lösung. Ein Teil wird verwertet, aber der überwiegende Teil muss behandelt und deponiert bzw. wieder entsorgt werden. Natürlich für viel Geld. Dazu kommt noch, dass der Schlick mit Schwermetallen belastet ist. Die beste Lösung – wie immer – ist, es dorthin zu verklappen wo man es nicht sieht. Dafür eignet sich die Nordsee besonders gut. Aus den Augen aus dem Sinn lautet das Motto. Darum wird jetzt auch vor Helgoland 800.000 Kubikmeter des mit Schwermetallen belasteten Sandes ins Meer gekippt. Da man weiß, dass dies nicht gerade toll für die Umwelt ist, wird auch hier wieder mit Geld besänftigt. Hamburg muss an Schleswig-Holstein pro Kubikmeter Schlick zwei Euro zahlen. Das Geld soll in eine noch zu gründende Stiftung des Nationalparks Wattenmeer gesteckt werden.
Was soll bloß immer diese Augenwischerei? Damit Prestigeobjekte Einzelner glänzen können, müssen andere darunter leiden. Gern wird dann immer die Karte gezückt, mit der man auf den Umweltschützern herum hackt. Und dabei geht es hier nicht nur um die Umwelt, auch Menschen sind bereits jetzt davon betroffen. Nicht nur Fischer bangen um ihre Existenz, auch Freizeitsportler müssen dann um ihre Reviere fürchten.
Vermutlich wird es auch diese einmalige Idylle, die man jetzt noch genießen kann, einfach nur am Elbstrand oder am Hafenbecken zu sitzen und die Szenerie aus Segelbooten, Ausflugsdampfern und Frachtern zu beobachten, bald nicht mehr geben. Denn eine Vertiefung bedeutet auch eine noch höhere Gefahr durch Wellenschlag vom Strand gerissen zu werden und durch den Sog und die Strömung zu ertrinken. Bildlich gesprochen wäre es, sich das Bild des spielenden Kindes am Strand vorzustellen, welches von der Bugwelle eines Frachter mitgerissen wird, um dann in der Elbe zu ertrinken. Eine romantische Vorstellung, oder?
Ein weiteres erhebliches Problem der Elbvertiefung wäre, dass Elb-Anliegerkommunen wie Cuxhaven und Otterndorf befürchten müssen, dass durch die schnellere Fließgeschwindigkeiten des Flusses Deiche aufweichen und somit die Gefahr von Überschwemmungen neu gegeben wäre. Nicht dass man auch dafür bereits Millionen verschlungen hat um diese zu bekämpfen. Sicherlich ist noch genug Geld in den Kassen, um die Deiche erneut zu verstärken und wenn nicht, die Bilder der letzten Hochwasserkatastrophe sind bestimmt schon vergessen.
Man will uns weismachen, dass die Container-Giganten hier nicht voll beladen einfahren können, weil die Elbe dies nicht her gibt. Okay, verstanden. Aber wie lange kann und wird dieser Boom noch anhalten? Was ist, wenn die Kaufkraft es gar nicht mehr hergibt, wir die Elbvertiefung mit all ihren Folgeschäden haben und dann die Container-Schiffe nur halb voll einlaufen, weil einfach nicht genug umgeschlagen wird? Wie verkauft man der Bevölkerung das dann?
Es ist ja nicht so, dass wir hier im Norden nicht in der Lage sind, derartige Giganten abzufertigen. Der Jade-Weser-Port steht als Tiefwasserhafen für die größten Container-Schiffe bereit und wartet nur darauf endlich als solcher angefahren zu werden. Für den wurden übrigens bereits 1,2 Milliarden Euro in den Bau investiert, davon schlappe 870 Mio. Euro aus Steuergeldern. Hier können Schiffe bis 18 Meter Tiefgang problemlos abgefertigt werden.
Warum aus einer Badewanne einen Swimmingpool machen?
Es geht ja nicht nur um die Elbvertiefung, auch das Hafenbecken in Hamburg soll viel zu klein für die Mega-Frachter sein, da diese hier nämlich gar nicht mehr gefahrlos wenden könnten. Die internationale Schifffahrtsorganisation IMO schreibt vor, dass der Wendekreis das Anderthalbfache der Schiffslänge umfassen soll. Bremerhaven und der neue, bisher nur wenig frequentierte Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, erfüllen diese Vorgaben, Hamburg aber nicht. Nur 450 Meter und 480 Meter betragen hier die Wendebecken vor den Terminals von Eurogate und Burchardkai – und das auch nur bei Tidehochwasser. 600 Meter müssten es für die neuen 400-Meter-Schiffe aber mindestens sein. Ohne diese Sicherheitspuffer könne das Risiko bestehen, dass die Schiffe bei Wind und Strömung abdrifteten, am flacheren Elbufer aufsetzten und auseinanderbrächen. Das wiederum würde die Elbe blockieren. Damit wäre der Hafen auf Monate dicht.
Wollen wir das wirklich riskieren? Hamburg hat doch viel mehr Potenzial als das.