Eben haben wir uns noch über die Magie der Rauhnächte, und wie wir sie für uns nutzen können, befasst, da sind sie auch schon wieder vorbei. Das neue Jahr hat begonnen und der Alltag hat uns wieder. Oder doch noch nicht?
Die Natur scheint uns jedenfalls noch einen Nachschlag zu gönnen. Während im Süden von Deutschland und Österreich starke Schneefälle den Ton angeben, scheint im Norden ein Sturmtief nach dem anderen über das Land zu fegen. An vielen Orten, und ganz besonders an der Küste, ist das Leben – zumindest kurzfristig – lahmgelegt. An der Nordsee können Fähren nicht wie geplant fahren oder fallen sogar ganz aus und an der Ostküste sorgen Überschwemmungen für einen kurzfristigen Ausnahmezustand. Man könnte meinen die Rauhnächte gehen in die Verlängerung. Wie wir gelernt haben, wäre das früher die Zeit gewesen, in der die Menschen sich noch ein wenig Ruhe gegönnt haben. Und heute? Wie ihr seht, so ganz lässt mich das Thema noch vor nicht los.
Stille im Alltag
Auch unsere Winterpause ist zu Ende und der Alltag hat uns wieder fest im Griff. Wichtig ist uns aber, dass wir nach wie vor an unseren täglichen Spaziergängen festhalten. Die frische Luft belebt und hilft dabei die vielen Gedanken in meinem Kopf zu sortieren. Gedanken schwirren gerade reichlich in meinem Kopf. Zum einen wegen der vielen Projekte, die wir andrehen und zum anderen, wegen des zahlreichen Feedbacks von euch auf die letzten beiden Beiträge. Sowohl die Anteilnahme auf den Weihnachtsbeitrag als auch die spannenden Rituale, die wir auf die Rauhnächte erhalten haben, haben mich noch nachhaltig bewegt.
Obwohl der Sturm den Norden noch fest im Griff hat, zieht es uns an den Deich. Wie heißt es so schön norddeutsch? Es weht eine steife Brise. Zum Teil sind die Böen so stark, dass wir aufpassen müssen nicht von ihnen umgehauen zu werden. Trotzdem tut es so unendlich gut, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Die Kälte knistert zwar auf der Haut, dennoch fühlen wir uns so lebendig.
Die Fähren liegen fest vertäut im Hafen von Schlüttsiel. Sie können aufgrund des Sturmtiefs nicht zu den Inseln und Halligen auslaufen. Während Ralph versucht ein paar Szenen mit der Kamera festzuhalten, beobachte ich die Schiffe wie sie den rauen Wellen der See trotzen. Auf einmal war sie wieder da, die Magie der Rauhnächte.
Unsere schnelllebige und oft so unüberschaubare Welt scheint auf einmal still zu stehen. Auch die Halligen, die irgendwo am Horizont aus der Nordsee ragen, scheinen heute noch stiller als sonst. Während auf dem Festland und in den Metropolen das Leben unermüdlich und nicht selten viel zu hektisch weitergeht, bleibt den vielen Insel- und Halligbewohnern gar nichts anderes übrig als Ruhe und Stille zu bewahren. Für sie gibt auch heute noch die Natur den Takt vor.
Uns zieht es noch weiter nach Dagebüll. Hier fahren die Fähren noch. Sie halten die Verbindung zu den Inseln, bringen Waren und Urlauber hin und her. Und dennoch, auch hier wird sich ein paar Stunden weiter, wenn das Hochwasser einsetzt, ein ganz anderes Bild zeigen. Nicht mehr die Autos werden die Wartebucht einnehmen, sondern die Nordsee mit all ihrer Kraft. Die Zeit wird dann auch hier für eine Zeit still stehen.
Ich muss gestehen, für mich eine äußerst romantische Vorstellung, denn wenn ich ehrlich bin, würde ich mir für unsere Metropolen auch ein wenig mehr Müßiggang wünschen. Oder zumindest einen bewussteren Umgang mit dem eigenen Leben.
Zwischen Tradition und Moderne
Einmal mehr wird mir klar, was wir doch für ein großes Glück haben hier in Nordfriesland zu leben. Ein Kreis, der den Spagat zwischen Moderne und Tradition schafft. Und das, wenn ich jetzt mal wieder an die deutsch-dänischen Beziehungen denke, sogar grenzenløs. Diese Überleitung wähle ich nicht von ungefähr, denn mir ist in den letzten Tagen wieder etwas eingefallen, was ich im letzten Jahr über unsere dänischen Nachbarn gelesen habe. In Dänemark steht vielerorts das Leben im Winter still, und zwar ganz offiziell.
Anfangs hatte ich mich ein wenig über die Verhaltensweise gewundert, aber wenn wir uns wieder an die Rauhnächte erinnern, scheint die Lebenseinstellung vieler Dänen sicherlich mit dazu beizutragen, dass sie laut Glücksatlas zu den glücklichsten Menschen in Europa zählen. Etwas, dass sie mit uns Norddeutschen gemein haben. Nach einem Jahr Nordfriesland möchte ich sogar fast behaupten (und das ist ausschließlich meine persönliche Meinung), das die Nordfriesen und ihre Art zu leben – denen der Dänen sehr ähnlich ist – sicherlich einen großen Anteil an der Wertung der Glücksstudie haben. Nicht nur das Leben zwischen den Meeren scheint glücklich zu machen, sondern auch der bewusste Umgang mit der Stille im Winter. Eine Stille, mit der viele – insbesondere Städter – nicht mehr umgehen können.
Ich glaube, viele von ihnen haben es schlichtweg verlernt, da sie stets und ständig einem hektischen Treiben ausgesetzt sind. In Metropolregionen bleibt die Zeit niemals stehen. Die Uhren ticken rund um die Uhr – unaufhaltsam. Plötzliche Stille würde vielen von ihnen sogar Angst bereiten. Die Frage ist nur, wenn man nicht dafür geboren ist, wie lange hält man diesem Tempo Schritt ohne krank zu werden? Aus eigener Erfahrung wissen wir wie Stress, Lärm und Hektik dich auf Dauer nervös machen. Ein Grund mehr, warum wir das Leben hier so sehr genießen.
Was ich damit nicht sagen möchte ist, dass die Stadt nicht lebenswert ist. Ganz im Genteil. Es kommt immer auf das jeweilige Lebensmodell und die Bedürfnisse eines Menschen an. Was ich aber jedem ans Herz legen möchte ist, auch mal Stille zuzulassen.
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2 Kommentare zu „In der Stille liegt die Kraft“
Wie recht du hast:
„Auch die Halligen, die irgendwo am Horizont aus der Nordsee ragen, scheinen heute noch stiller als sonst. Während auf dem Festland und in den Metropolen das Leben unermüdlich und nicht selten viel zu hektisch weitergeht, bleibt den vielen Insel- und Halligbewohnern gar nichts anderes übrig als Ruhe und Stille zu bewahren. Für sie gibt auch heute noch die Natur den Takt vor.“
Seit dem 4. Januar sind wir nun Halliglüüd, nach 44 Jahren Berlin, es gab -wie du es schreibst- an diesem Tag (8. Jan) tatsächlich die absolute Ruhe und Stille (außer Windgeräusche) – „Landunter auf Langeneß“. Schule fällt aus, Arbeit fällt aus, mal ’nen Klönschnack mit den Warft-Nachbarn, ansonsten die Naturgewalten ertragen oder besser geniesen (war ja ein traumhaftes Landunter, siehe Blogbeitrag),
wie entspannt kann das Leben doch sein…
Moin, moin nach Langenhorn,
Helmut
Moin Helmut,
das klingt nicht nur romantisch, sondern fast zu schön um wahr zu sein. Genießt die Zeit auf der Hallig nach all den Jahren in der Großstadt. 🙂 Was für ein krasser Gegensatz.
Ganz liebe Grüße aus Langenhorn auf die Hallig,
Claudia