Gänsehaut beim Vogelkiek
Wenn bei der Eindeichung nicht nur die Landgewinnung eine Rolle spielt, sondern auch der Vogelschutz, dann entstehen kleine Paradiese wie der Hauke-Haien-Koog.
Mit der Nordsee verbinde ich nicht nur Ebbe und Flut, sondern für mich ist auch der Vogelzug ein ganz prägnantes Naturereignis, das wir nun immer wieder hautnah an der Westküste miterleben dürfen. Unweit vor unserer Haustür hat sich ein kleines Vogelparadies etabliert, das eigentlich so unscheinbar wirkt und doch so gewaltig schön ist, dass ich es euch unbedingt vorstellen möchte.
Die meisten Urlauber, die zu den nordfriesischen Inseln und Halligen wollen, dürften den Koog zumindest schemenhaft wahrnehmen, denn wenn sie über Ockholm fahren, kommen sie daran vorbei. Und für Ornithologen dürfte dieser Koog mindestens genauso ein Hotspot sein, wie die Westerhever Sandbank oder die Halligen. Zumindest sind die Parkbuchten zu den Vogelzugzeiten ziemlich oft gefüllt und Scharen von Menschen mit Spektiven blicken auf die Wasserflächen.
Ein Wendepunkt in der Landgewinnung
Der Mensch hat schon immer versucht, der See Land abzutrotzen. Bei uns an der Westküste geschah dies in der Regel durch Eindeichung. Das kostbare Land wurde meistens zum Ackerbau oder zur Besiedelung genutzt. Nicht so im Hauke-Haien-Koog. Das war der erste Koog an der Schleswig-Holsteinischen Westküste, bei dem nicht die gesamte Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung oder Besiedelung diente, sondern ein Teil des Kooges wurde als Speicherbecken konzipiert. Dies wiederum fungiert heute als Schutzgebiet für Seevögel. Wenn Vogelzug ist, nutzen zahlreiche Entenarten den Koog als Rastplatz. Aber im Grunde ist hier immer etwas los, denn der Koog ist auch Brutplatz für Seeschwalben, Sandregenpfeifer und Säbelschnäbler.
Benannt wurde der Hauke-Haien-Koog nach der Hauptfigur aus Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ – dem Deichgrafen Hauke Haien. Offiziell gesehen ist die Fläche übrigens kein Schutzgebiet. Dennoch wird der Koog seit 1967 vom Verein Jordsand betreut.
Wenn die Gänse ziehen
Schon im Frühjahr haben wir das Spektakel miterleben dürfen. Dann, wenn Scharen von Gänsen über Nordfriesland ziehen, um sich hier auf den Feldern und im Wattenmeer für ihre Weiterreise zu stärken. Morgens und abends ist das Spektakel natürlich am größten, denn dann ziehen sie von ihren geschützten Schlafplätzen am Wasser meist auf die Felder oder abends eben umgekehrt.
Inzwischen ist schon wieder Herbst und das Spektakel, das mir regelrecht Gänsehaut bereitet (im positive Sinne wohlgemerkt), geht von Neuem los. Wenn wir abends nach Feierabend oder auch mal früh morgens einen Spaziergang am Deich machen, kommen wir sowohl in den Genuss, den Blick über den Hauke-Haien-Koog, als auch auf die Nordsee und die vorgelagerten Salzwiesen genießen zu dürfen. Während wir uns durch mümmelnde Schafe lawinern, fliegen reihenweise Gänse in Formation über uns herüber. Oft wechseln sie zwischen Koog und Nordsee hin und her. Mein Blick folgt dann immer den Vögeln, so dass ich aufpassen muss, nicht ständig in frische Schafssch… zu treten. (Grins)
Es sind aber nicht nur die Gänse, die mich beim Vogelzug so faszinieren, sondern natürlich auch die vielen unterschiedlichen Vogelstimmen, die uns vom Wasser oder den Salzwiesen her erreichen. Oft versuche ich herauszuhören, welche es sind. Möwen, Austernfischer, Rotschenkel oder Sandregenpfeifer erkenne ich bereits und natürlich auch das lautstarke Gemecker von Enten, die ab und an ihren Teil zum emsigen Vogelkonzert beitragen. Von Land gesellen sich Stimmen von Kiebitzen oder Staren dazu, aber auch kleinere Vögel, die beim Näherkommen, so schnell wegfliegen, dass ich sie noch nicht bestimmen konnte. Besonders lustig sieht es übrigens aus, wenn die frechen Stare sich auf die Rücken der Schafe setzen.
Eine Landschaft, die nie gleich ist
Nicht nur durch Ebbe und Flut verändert sich das Landschaftsbild ständig, sondern auch die Lichtstimmungen. Ich finde, in einem so weiten Land wie Nordfriesland kommen die vielfältigen Farbstimmungen am Himmel erst richtig zur Geltung. Alles zusammen ergibt etwas so unglaublich Schönes und Beruhigendes, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Jede Jahreszeit hat ihren eigenen Reiz. Und in unserem ersten Jahr in Nordfriesland versuchen wir jede Stimmung in uns aufzusaugen und auszukosten. Jetzt gerade ist der Herbst an der Reihe und mit so einem schönen wie in diesem Jahr wirkt das Landschaftsbild mit all seinen Farben wie ein kleines Paradies in Afrika.
Vielleicht bin ich (und im Grunde spreche ich in diesem Beitrag für uns beide) auch nur so gerührt, weil wir das alles unsere Heimat nennen dürfen und es sich einfach richtig anfühlt, hier zu sein.