Rantum liegt an der inzwischen wohl schmalsten Stelle von Sylt und verfügt über eine ziemlich turbulente Geschichte. Eine Geschichte, die vergangen scheint und irgendwie doch aktueller denn je ist.
Der Ort Rantum liegt mittlerweile an der schmalsten Stelle der Insel. Gerade mal nur noch 550 Meter Breite sollen die offene Nordsee von der Wattseite trennen. So nah beieinander hat man beide Küstenlandschaften wohl nirgends in Nordfriesland. Was, wie ich finde, auf der einen Seite sehr spannend ist, aber auf der anderen Seite auch zum Nachdenken anregt.
Das flüchtende Dorf
In der bisherigen Geschichte ist zu lesen, das Rantum bis zu sechsmal neu aufgebaut werden musste, weil es durch Sturmfluten zerstört und von Flugsand zugeschüttet worden war. Das brachte dem Ort auch den Beinahmen das „flüchtende Dorf“ ein. Im Jahr 1801 musste bereits die vierte Kirche abgerissen werden. Die jetzige gibt es übrigens erst seit 1964.
Wenn ich mir aus heutiger Sicht die zahlreichen Häuser so anschaue – natürlich wie für Sylt üblich, eines hübscher als das andere – dann kann ich mir kaum noch vorstellen, dass Rantum zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur noch aus fünf windschiefen Hütten bestanden haben soll. Erst die Eindeichung und das Bepflanzen der Dünen mit Strandhafer brachten Sicherheit. Aber wie lange?
Dass die Nordsee an Sylt knabbert, ist bekannt, aber ja nicht nur hier. Seit vielen Jahren ist die Klimaerwärmung und ihre Folgen für die Küsten in aller Munde. Die Deiche werden verstärkt, um das Hinterland vor Sturmfluten zu schützen. Doch wie lange kann sich der Mensch noch schützen? Wie hoch können wir die sogenannten Klima-Deiche überhaupt bauen? Ab wann ist das Wasser so übermächtig, dass der Mensch sein geliebtes Eiland aufgeben muss?
Fragen über Fragen, mit denen ich mich eigentlich nicht so gerne beschäftige, denn sich darüber Gedanken zu machen deprimiert mich nur. Auch wenn wir das als Küstenbewohner vielleicht gerade tun sollten. Aber ganz ehrlich, da fühle ich mich in der Tat einfach nur klein und machtlos.
Schön und unwirklich zugleich
Wir Menschen haben ganz sicher einen großen Anteil daran, was mit unserem Planeten passiert. Viele Fehler, die auf allen Kontinenten immer wieder gemacht werden, lassen sich oft nicht nachvollziehen. Aber, und das erstaunt mich auch immer wieder, ist der unbändige Überlebenswille des Menschen. Was auch immer in der Geschichte der Menschheit passiert ist, der Überlebenskampf war allgegenwärtig und so bauten wir Menschen nach jeder Katastrophe – ganz gleich welcher Art – immer wieder neu auf.
Und genau daran musste ich tatsächlich denken, als wir hier durch den Ort liefen. Die Häuser sind voll mit Urlaubsgästen. Aus den Gärten vernehmen wir Gelächter von Menschen, die sich einfach nur vergnügen. Nichts, aber auch so gar nichts erinnert an die harten Zeiten, als in winterlichen Sturmnächten plötzlich die Stuben unter Wasser standen. Im Gegenteil, über die Jahre hat sich der Ort zu einem wahren Luxus-Ferienparadies gemausert.
In den westlichen Dünen befinden sich mehrere Strandübergänge mit Strandkorb-Verleih und Ausflugslokalen, die exotische Namen tragen. Diese Namensgebung hatte ihren Ursprung in den 1930er Jahren, als ein Strandabschnitt namens Abessinien entstand. Als der Fremdenverkehr in den 1950er Jahren in Rantum zu blühen begann, entstanden die Strandabschnitte Samoa und später dann auch Sansibar.
Und wir für uns müssen feststellen, dass 550 Meter Breite einfach zu viel sind, um sie nur bei einem Spaziergang zu entdecken und zu erleben. Was so viel heißt wie, dass wir möglichst bald wiederkommen werden, um tiefer in das flüchtende Dörfchen voller Lebensfreude zu schauen.